Lebkuchengebäcke mit
Vergangenheit - zur Kulturgeschichte eines Backwerks
Eine
ausgewogene Mischung aus Zimt, Gewürznelken, Koriander, Kardamom, Spuren
einiger anderer Gewürze und dazu Honig - das waren und sind bis heute die
charakteristischen Lebkuchen-Zutaten. In jüngerer Zeit ersetzte man den
Honig nicht selten durch Zuckerwasser oder Sirup. Gemäß den gültigen
Nahrungsmittel-Vorschriften der EU darf der Marketing-Begriff
„Honigkuchen“ („Honey Gingerbread“) nur verwendet werden, wenn
mindestens die Hälfte des verwendeten Zuckers aus echtem Bienenhonig
stammt.
Die
oben genannten wertvollen Bestandteilstoffe machen es erklärlich, warum
die Menschen Lebkuchenhäuschen so gerne mögen - auch heute noch, in der
Welt der fabrikmäßigen Massenproduktion von süßen Versuchungen.
Hier
ein paar historische Eckpunkte über die Entstehung des Lebkuchens und
seiner verschiedenen Namen:
Wie
bei vielen Küchenbegriffen gibt es auch beim Lebkuchen im Deutschen
verschiedene regionale Bezeichnungen. Im Süden, Westen und Norden
Deutschlands, in Österreich und der Schweiz dominiert der Begriff
„Lebkuchen“. In süd- und westdeutschen Regionen finden sich aber auch
die Bezeichnungen „Labekuchen“, „Leckkuchen“ oder
„Lebenskuchen“. In Teilen Bayerns wird „Magenbrot“ als Synonym für
„Lebkuchen“ verwendet, wenngleich dieser Begriff im Allgemeinen eine
andere Art von Gebäck bezeichnet. Im östlichen Deutschland ist dagegen
die Bezeichnung „Pfefferkuchen“ vorherrschend.
Über
die genaue Herkunft und Bedeutung des Wortes „Lebkuchen“ ist sich die
Forschung nicht einig. In der deutschen Sprache hat das Wort
“Lebkuchen” eine „geschmackreiche“, „gesunde“ Bedeutung. Man
weiß bis heute nicht, wie das Wort wirklich entstanden ist. Einige
Forscher sind sich sicher, dass „Leb“ etwas mit „Leib“ und
„Leben“ zu tun hat. Es könnte sich aber auch von „Laib“ ableiten,
Gebäck oder Brot in Form eines runden Fladens. Nicht unmöglich, dass das
Wort vom lateinischen “libum” stammt, einem runden flachen Teigkuchen,
der für Opferzeremonien gebacken wurde.
Die
Bezeichnung „Pfefferkuchen“ geht auf das Mittelalter zurück, als die
exotischen Gewürze, die wesentlicher Bestandteil des Gebäcks sind, ganz
allgemein als „Pfeffer“ bezeichnet wurden. Auch die englischen und
französischen Variationen „gingerbread“ bzw. „pain d'épices“
(„Ingwerbrot“ bzw. „Gewürzbrot“) weisen auf die große Bedeutung
der orientalischen Zutaten hin. Die Bezeichnung „Honigkuchen“
nennt einen weiteren charakteristischen Bestandteil des Gebäcks.
Die
englische Bezeichnung „Gingerbread“ bedeutete im Mittelalter einfach
„eingemachter (haltbar gemachter) Ingwer“ und leitete sich her vom
alt-französischen „gingebras“, das wiederum vom lateinischen Namen
„cingebar“ kommt. Erst im 15. Jahrhundert wurde das Wort auf eine Art
Kuchen angewendet, der aus Melasse, unkristallisiertem dickflüssigem
Sirup, gewonnen aus Rohzucker während der Raffinierung, und Ingwer-Gewürz
zubereitet wurde. Man entdeckte außerdem die konservierende Wirkung von
Ingwer, wenn man ihn Backwaren und Brot beimengte. Diese Erkenntnis führte
zur Entwicklung von unzähligen Rezepten für Ingwer-Kuchen, Ingwer-Keksen
und Gewürzbroten.
Von
Anfang an war Lebkuchen eine Rummelplatz- und Volksfest-Delikatesse. Viele
Rummelplätze erlangten Berühmtheit als „Lebkuchen-Feste“. Für die
einzelnen jahreszeitlichen Volksbelustigungen kristallisierten sich
verschiedene Formen des begehrten Gebäcks heraus: Blumen im Frühjahr, zu
Ostern, Tiere und Vögel im Herbst. Außerdem bildeten sich regionale
Lebkuchen-Bräuche heraus, wie z. B. in vielen Gegenden in England für
unverheiratete Mädchen der Brauch, „Lebkuchen-Ehemänner“ zu kaufen
und zu verzehren, womit sie ihre Chance auf einen wirklichen Ehemann zu
vergrößern trachteten.
Deutschland
hat unter allen europäischen Ländern die längste Tradition der
Herstellung von flachen geformten Lebkuchen-Teilen: kein Herbstfest in
Deutschland oder den angrenzenden deutschsprachigen Ländern ohne Reihen
von Lebkuchen-Ständen voll von Lebkuchen-Herzen mit weißer oder farbiger
Zuckerguss-Dekoration und farbenfrohen Bändern.
Im
Verlauf des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Produktion von
Lebkuchen. Als die Gebrüder Grimm Märchen für ihre berühmte Sammlung
zusammentrugen, erzählte man ihnen die „Geschichte“ von Hänsel und
Gretel, zwei Kindern, die von ihren mittellosen Eltern im Wald ausgesetzt
wurden und dort ein Haus aus Lebkuchen und Zucker entdeckten. Weihnachten
ist in den deutschsprachigen Ländern die Gelegenheit für die
eindrucksvollsten Lebkuchen-Konstruktionen. Dieser Brauch der
„Lebkuchen-Häuschen“ hat in den englischsprachigen Ländern nie so
richtig Fuß gefasst - mit Ausnahme der Neuen Welt. Dort, in Nordamerika,
war die Lebkuchen-Tradition von den vielen Siedlern aus Nordeuropa in
Familien-Rezepten und Gebräuchen mitgebracht worden.
In
Europa wurde Lebkuchen seit dem 11. Jahrhundert gebacken. Es entstand eine
ungeheure Vielfalt der Form und der Konsistenz der begehrten „Kuchen“.
In einigen Gebieten buk man weiche, zart gewürzte Kuchen; in anderen
resche flache knusprige Kekse; und in wieder anderen warme, dicke, dunkel
gebackene „Brotstücke“, die nicht selten mit einem Krug Zitronensoße
oder Schlagrahm serviert wurden. Manche Lebkuchen waren hell, manche
dunkel, manche süß, manche würzig - aber immer wurden sie in Formen
hergestellt, wie der Gestalt von Männern oder Frauen, Sternen oder
Tieren. Sie wurden farbig dekoriert oder in eine Lebkuchen-Form gepresst
und anschließend mit Staubzucker gepudert.
Geschichte
der Lebkuchenbäckerei (aus Wikipedia):
Erste
schriftliche Zeugnisse von kleinen gewürzten Honigkuchen entstanden um
350 v. Chr., doch bereits die alten Ägypter haben honiggesüßte Kuchen
gekannt, wie man aus Grabbeigaben weiß. Die Römer kannten den „panus
mellitus“: Honig wurde auf einen Kuchen gestrichen, dann mit dem Kuchen
mitgebacken.
Anders
als heute wurde der Lebkuchen früher nicht nur zur Weihnachtszeit
verzehrt, sondern auch zu Ostern oder anderen Zeiten. Die Lebkuchen waren
ein Bestandteil der Fastenküche und wurden z. B. zu starkem Bier
serviert.
Der
Lebkuchen in der heute noch bekannten Form wurde ursprünglich im
belgischen Dinant erfunden, dann von den Aachenern übernommen und
abgewandelt (Aachener Printen) und schließlich von den fränkischen Klöstern
übernommen und nochmals leicht abgewandelt. Die Nonnen stellten das Gebäck
als Nachtisch her. Als „Pfefferkuchen“ wird es bereits 1296 in Ulm erwähnt,
und im 14. Jahrhundert ist der Lebkuchen in und um Nürnberg bekannt, wo
er in Männerklöstern gebacken wurde. Der Nürnberger Lebkuchen hat
seinen Ursprung im nahen Kloster in Heilsbronn. Lebkuchen war wegen seiner
langen Haltbarkeit beliebt, denn er konnte gelagert werden und wurde in
schlechten Zeiten von den Mönchen verteilt.
Da
für die Herstellung seltene Gewürze aus fernen Ländern benötigt
wurden, haben vor allem Städte an bedeutenden Handelsknotenpunkten eine
lange Lebkuchentradition. Außer Nürnberg und Pulsnitz gehörten dazu
Augsburg, Ulm, Köln und Basel. In München wird bereits 1370 im
Steuerverzeichnis ein „Lebzelter“ aufgeführt, also ein Lebkuchenbäcker.
Während in München das Gebäck mit Formen ausgestochen und mit buntem
Zucker verziert wurde, dekorierte man die Nürnberger Kuchen mit Mandeln
oder Zitronat.
Bekannt
waren auch die Thorner Lebkuchen, auch als Thorner Pflastersteine bekannt,
aus der westpreußischen Stadt Thorn (seit 1919 Toruń, Polen), die
nach dem Kloster der heiligen Katharina von Alexandrien den Beinamen „Kathrinchen“
trugen.
Lebkuchen
(mittelhochdeutsch Lebkuoche) wurden in Klosterbäckereien, wo man schon
Hostien anfertigte, ebenfalls auf Oblaten gebacken. In Süddeutschland
bzw. Österreich nannte man die flachen Kuchen „Zelte(n)“ und somit
die Bäcker „Lebzelter“. Die Lebküchler oder Lebzelter waren in Zünften
vereinigt.
Das
Aufkommen des Backpulvers Ende des 19. Jahrhunderts hatte auch einen
Einfluss auf die Entwicklung des Lebkuchens. Das Backpulver ließ den würzigen
Teig in die Höhe treiben. Hierdurch entstanden viele Gebäckvarianten,
die in Geschmack und Konsistenz zum Teil dicht, zum Teil weiter vom ursprünglichen
Lebkuchen entfernt sind, wie zum Beispiel zahlreiche Honig- oder Gewürzkuchenvarianten.
Eines
ist sicher: Kein anderes Gebäck hat eine so lange und farbenfröhliche
Vergangenheit. Für die meisten von uns hier in Mitteleuropa ist Lebkuchen
mit einigen seiner köstlichen „Kosenamen“, wie „Honigkuchen“ oder
„Printen“ (Lebkuchen in Phantasieformen) und nicht zuletzt Lebkuchen
als „Baumaterial“ für Knusperhäuschen eng verbunden mit Weihnachten
und den vier Wochen davor: Advent. In weiter Vergangenheit war Lebkuchen
nicht wirklich ein Weihnachtsgebäck. „Honigbrot“ wird auf Volksfesten
in Herzform verkauft, es wird als feines Frühstücksbrot genossen und früher
stellten fromme Mönche das würzige, gehaltvolle „Brot“ her, um die
Fastenzeit besser zu überstehen. Wir hören in vielen Sagen und Märchen
vom Lebkuchen. Und im Schlaraffenland ist Lebkuchen der unabdingbare
Konstruktionsteil für all die essbaren Kuchenhäuser.
|